Alter Hörder

Georg Säcker auf dem Friedrich-Ebert-Platz: Hier stand vor 70 Jahren noch die Semerteich-Volksschule. Foto: RoMü
Georg Säcker auf dem Friedrich-Ebert-Platz: Hier stand vor 70 Jahren noch die Semerteich-Volksschule. Foto: RoMü

Von Roland Müller | Lassen Sie uns an dieser Stelle einmal – in etwa – die Bedingungen für einen „wahren“ Hörder festlegen: Er muss – natürlich – in Hörde geboren sein, die Volksschule stand auf dem Friedrich-der Ebert-Platz, die Heirat fand im alten Rathaus dort statt, das Hochzeitsessen im Traditionslokal „Zum Treppchen“, und der Papa war natürlich bei Hoesch beschäftigt.
Auf Georg Säcker trifft das alles zu – und noch mehr. Heute zählt er 76 Lenze und erinnert sich an viele Geschichten und Ereignisse.

Als seine Mutter hochschwanger war und die Wehen einsetzten, stand ein Freund parat: „Komm, setz’ dich in meinen Lkw, ich bring dich ins Bethanien-Krankenhaus.“ Von der Wohnung in der Seydlitzstraße war es nicht weit, die Geburt ohne Komplikationen, und die Hebamme bekam als Dank für ihre Dienste vom glücklichen Vater eine Flasche Sherry-Brandy geschenkt.
Es dauerte auch nicht lang, da lernte der kleine Georg das Schwimmen – im Schallacker-Bad, nicht weit von Emscher und Hoesch entfernt. „Das Badewasser dort“, erinnert er sich, „wurde vom warmen Röhren-Wasser des Stahlwerks auf Temperatur gebracht.“ Sicher, „es roch etwas nach Schwefel“, sagt er, „aber wir hatten unseren Spaß.“ Dann begann die Schulzeit als I-Männchen der Ev. Semerteich-Volksschule, gleich neben der kath. „Konkurrenz“, beide auf dem Friedrich-Ebert-Platz: „Da gab es schon auf dem Schulhof eine imaginäre Trennlinie, da wollte keiner vom anderen auch nur irgendwas wissen.“ Nach der Konfirmation in der Hörder (!) Lutherkirche bei Pfarrer Benger folgten 1963 die Ausbildung als Stahlbauzeichner bei Klönne, Weiterbildungen in der Abendschule und auf dem Westfalenkolleg. Zwischenzeitlich hatte der Westfalenpark eröffnet, nur ein Katzensprung von der Seydlitzstraße entfernt fand sich der Eingang zum Spielplatz mit seinen Wassertonnen auf einem kleinen Teich. Mit einem schelmischen Lächeln hält Georg Säcker auch da was zum Schmunzeln bereit: „100 Meter vor dem Eingang mussten wir erst durch einen Fußgängertunnel, haben uns da versteckt und Liebespaare belauscht.
Dann aber verliebten sich Georg und seine Freundin Monika aus Lünen-Brambauer, heirateten am 30. April 1970 im alten Hörder Rathaus, wobei der zuständige Standesbeamte mit dem Nachnamen „Sommerschuh“ glänzte. Anschließend gab es im Lokal „Zum Treppchen“ was Leckeres auf die Gabel. Die Rechnung hielt sich in Grenzen, elf Pils kosteten 6,05 Mark und drei Dornkaat 2,70 Mark. In diesem Zusammenhang darf die Kneipe „Kluseneck“ nicht vergessen werden, die Georg Säcker schon mal für ein Bierchen und eine Portion Kartoffelsalat besuchte. „Und dort ist einem Freund beim Essen“, lacht er immer noch, „doch tatsächlich ein fremder Ehering aus dem Mund gefallen.“ Den hatte die frisch verheiratete Küchenhilfe beim Anrichten unbemerkt mitverarbeitet.
Der berufliche Werdegang unseres Ur-Hörders wechselte dann aber doch die Spur. Er studierte Medizin in Bochum, arbeitete fünf Jahre als Gynäkologe im Johannes-Hospital, wurde dann Oberarzt in Witten und eröffnete am 1. Januar 1989 eine Praxis für Frauenheilkunde in Herdecke, bei der er nach Übergabe noch heute als angestellter Arzt in Teilzeit arbeitet. Das Ehepaar Säcker lebt nun schon seit Jahren in Herdecke-Ende, oben auf der Schanze. Derweil hat Mutter Säcker ihrem Hörde die Treue gehalten – sie behielt ihre Wohnung in der Seydlitzstraße, zählt heute 95 Jahre, und ist erst vor Kurzem in ein Altenheim gezogen.
Sohn Georg wirft derweil auch einen geteilten Blick auf sein heimatliches Hörde: „Sicher, Phoenix-West mit seinen Neuansiedlungen und vielen Arbeitsplätzen hat Hörde nach vorn gebracht, der Phoenix See zeigt aber auch die Zerrissenheit zwischen Altstadt und Moderne.“