Von Roland Müller
Wenn es darum ging, einen tollen Turm aus Lego-Steinen zu bauen, hat der Opa immer geholfen. Nun ist Opa aber vor kurzem gestorben, und wenn der 7-jährige Sven (fiktiver Name) sich an einen neuen Lego-Turm wagt, kann der Opa nicht mehr helfen. Da fängt Sven an zu weinen.
„Eine ganz typische Reaktion von Kindern“, erklärt Katrin Riesling, die pädagogische Leiterin der „möwe“-Trauerbegleitung für Kinder und Jugendliche, die kürzlich in der Hörder Rathausstraße eröffnete. Diese sprunghafte oder auch spontane Trauer erklärt Katrin Riebling mit dem Umstand, dass Kinder noch nicht über das vollständige Maß an kognitiven Fähigkeiten verfügten, und auch ihr Zeitgefühl (im wahrsten Sinn des Wortes) noch in den Kinderschuhen stecke: „Wir nennen das ,Pfützen trauern’ – also rein- und rausspringen aus der Trauer.“
Eltern verstehen diese Reaktion nicht immer, weiß Katrin Riebling, die ihr Studium der Sozialpädagogik mit einem Master-Prädikat abgeschlossen hat: „Und genau da können wir mit unserer Trauerbegleitung von Kindern und Jugendlichen ansetzen.“ Die vier Anfangsbuchstaben von „möwe“ stehen dafür: mutig sein, öffnen, wünschen, erinnern“.
Sicher, die ersten Worte bei der ersten Begrüßung gehen vom möwe-Team aus: „Natürlich sagen wir ,herzliches Beileid“, dann erzählen wir auch, was wir denn so im Angebot haben – aber über das weitere Vorgehen entscheiden die Kinder“, sagt Katrin Riebling. Vielleicht wird gespielt, vielleicht wird eine Geschichte vorgelesen, vielleicht kullern auch ein paar Tränen, denn – Opa ist ja nicht mehr.
Entwickelt hat sich diese Trauerbegleitung von Kindern und Jugendlichen aus dem „Forum Dunkelbunt“, das zunächst Projekte der ambulanten Hospiz- und der allgemeinen Trauerarbeit 2018 ins Leben rief, berichtet Projektleiterin Beate Schwedler: „Unsere Angebote sind kostenlos und werden etwa nur zu einem Drittel von den Krankenkassen finanziert.“ Für den großen Rest ist das Forum auf Spenden angewiesen, konnte aber auf Antrag im August 2022 mit einer Anschubfinanzierung der „Aktion Mensch“ dann auch das Projekt „Möwe“ in Angriff nehmen. Und: Verhandlungen mit der Stadt Dortmund über eine finanzielle Unterstützung sind im Gange. Darüber hinaus freut sich Beate Schwedler über eine Reihe freiwilliger Helfer und Helferinnen, die ihr Team entlasten.
Der Start für „möwe“ in Hörde verlief vielversprechend. Zu den Gruppenangeboten gehören die „Zwergmöwen“ (für Kinder von fünf bis 12 Jahren), die Sturmmöwen für Jugendliche von 12 bis 16 Jahre, außerdem für junge Erwachsene und ein monatliches Angehörigen-Frühstück.
Einige Angebote sind bereits für die nächsten Wochen ausgebucht, draußen vor der Tür muss aber keine „Möwe“ bleiben. Schließlich will der 7-Jährige Sven vielleicht noch wissen, ob denn der Opa in seinem dunklen Sarg noch ausreichend sehen kann. Und die richtige Antwort sorgt dann bestimmt für etwas Trost.
Öffnungszeiten Hörder Rathausstraße 12
Montags, dienstags und donnerstags 10 bis 13 Uhr
Zusätzlich dienstags von 14 bis 16 Uhr
www.kindertrauerzentrum-dortmund.de